Im Jahr 2018 wurde GEWOS vom Deutschen Verband für Wohnungswesen in Kooperation mit dem BBSR, BMI und dem Deutschen Städtetag mit einer Studie zu den wohnungspolitischen Potenzialen des Erbbaurechts beauftragt. Die Ergebnisse wurden zu einer wichtigen Grundlage für die Arbeit der Baulandkommission und wurden nun erstmals in der Ergebnisdokumentation zum Fachdialog Erbbaurecht veröffentlicht.
Das Erbbaurecht ist das Recht, gegen Zahlung eines meist regelmäßigen sogenannten Erbbauzinses, auf einem Grundstück ein Bauwerk zu errichten oder zu unterhalten (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Die Eigentumsverhältnisse der Liegenschaft werden für eine beschränkte Zeitdauer in Land und Bauwerk aufgeteilt. Der Erbbauberechtigte wird Eigentümer des Gebäudes, nicht aber des Grundstücks. Für ihn entfällt somit der Kaufpreis für das Grundstück. Im Gegenzug ist er langfristig an vertragliche Vereinbarungen gebunden und muss die Zustimmung des Erbbaurechtsgebers einholen, beispielsweise für die Weiterveräußerung des Erbbaurechts oder Nutzungsänderungen.
Ziel der GEWOS Studie war es, Aufschluss über die Verbreitung und Anwendung des Erbbaurechts in Deutschland mit Fokus auf den Mietwohnungsbau zu erhalten, Mehrwert und Hemmnisse zu ermitteln und Hinweise auf mögliche Best Practice Beispiele zu gewinnen. An einer schriftlichen Befragung der Studie beteiligten sich 49 von 60 kontaktierten Städten sowie 43 Wohnungsunternehmen. Ergänzend wurden 16 vertiefende Interviews mit Wohnungsunternehmen, Kommunen und Stiftungen durchgeführt.
Ein Ergebnis der Befragung war, dass das Erbbaurecht bislang überwiegend als Instrument zur Förderung der Wohneigentumsbildung für Schwellenhaushalte im Eigenheimsegment eingesetzt wird. Nur wenige Städte nutzen bislang das Erbbaurecht zur Schaffung von Mietwohnraum. Hemmnisse sind vielerorts fehlende kommunale Baulandreserven, ein befürchteter höherer Verwaltungsaufwand und Personalbedarf sowie Zielkonflikte durch fehlende Verkaufserlöse für revoltierende Bodenfonds.
Nach der Privatisierungswelle zeichnet sich nun wieder ein Trend zum Erhalt und zur Wiedergewinnung kommunalen Eigentums ab. Vielerorts wird darüber diskutiert, mittels Erbbaurecht Flächen im kommunalen Besitz zu halten. Grundsatzbeschlüsse mit diesem Ziel wurden mittlerweile u.a. in Berlin, Hamburg, Leipzig und Frankfurt gefasst. Als Mehrwert wird die Möglichkeit gesehen, langfristig Einfluss auf die Nutzung der Flächen nehmen zu können, wohnungspolitische Ziele wie Mietpreisbindungen über Jahrzehnte vertraglich abzusichern und regelmäßige Erträge zu erzielen. In wohnungspolitische Konzepte ist das Erbbaurecht nur in wenigen Fällen eingebettet, so in München, Frankfurt und Leipzig. Die Stadt Münster, deren Bodenpolitik Vorbildfunktion für viele Kommunen hat, integriert aktuell das Erbbaurecht in Ihre Strategie. In anderen Kommunen gibt es Absichtserklärungen oder man nutzt das Instrument nur von Fall zu Fall.
Für potenzielle Erbbaurechtsnehmer, insbesondere Bestandshalter, ist das Instrument vor dem Hintergrund niedriger Hypothekenzinsen selten attraktiv und wird nur in Anspruch genommen, wenn es keine Alternative gibt. Modellrechnungen zeigen, dass der Erwerb eines Grundstücks für Bestandshalter selbst bei steigenden Hypothekenzinsen langfristig wirtschaftlicher ist, als das Erbbaurecht. Die Finanzierung ist beim Erwerb von Anfang bis Ende planbar, während beim Erbbaurecht regelmäßig Anpassungen an den kaum kalkulierbaren Verbraucherpreisindex erfolgen. Zudem wird der Käufer eines Grundstücks Eigentümer und profitiert von steigenden Grundstückspreisen. In vielen Regionen Deutschlands haben sich die Grundstückspreise in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Die meisten Kommunen haben den Erbbauzins nicht an die derzeit niedrigeren Kapitalmarktzinsen angepasst, weil sie wegen der langen Laufzeit der Verträge langfristig von Zinssteigerungen ausgehen. Für Projektentwickler hingegen besteht das Risiko nicht in der Finanzierung, sondern im Vertrieb. Potenzielle Erwerber von Wohneigentum meiden Objekte mit Erbbaurechten sofern sie genügend Eigenkapital haben. Hier muss eine Immobilie schon besondere Alleinstellungsmerkmale aufweisen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Haben Investoren die Wahl zwischen Erbbaurecht und Kauf wie in Stuttgart, wird der Grundstückserwerb immer vorgezogen. Vorteile bestehen im Erbbaurecht jedoch durch den Liquiditätsvorteil, der durch den entfallenden Kaufpreis entsteht. Hiervon profitieren Investoren mit wenig Eigenkapital, wie neu gegründete Wohnungsgenossenschaften. Darüber hinaus ist der Erbbauzins im Gegensatz zu den Erwerbskosten eines Grundstücks steuerlich geltend zu machen. Dies ist auch bei einer Kapitalisierung des Erbbauzinses, einer Einmalzahlung, möglich.
In der Zusammenschau kann das Erbbaurecht eine interessante Komponente der Bodenpolitik darstellen, ersetzt andere Instrumente aber nicht. Die Vorteile liegen derzeit überwiegend bei den Erbbaurechtsgebern. Potenzielle Erbbaurechtsnehmer akzeptieren das Erbbaurecht, wenn es keine Ausweichmöglichkeiten gibt und die Wirtschaftlichkeit der Investition gegeben ist.
Autor:
Daniel Hofmann
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