Das von GEWOS erstellte Wohnungsmarktgutachten über den quantitativen und qualitativen Wohnungsneubaubedarf in Nordrhein-Westfalen bis 2040 beschäftigt sich mit den Fragen, wie sich die Wohnungsnachfrage zukünftig in Nordrhein-Westfalen entwickeln könnte und wie viele zusätzliche Wohnungen benötigt werden. Das Gutachten geht über die alleinige Betrachtung des quantitativen Neubaubedarfs hinaus, es wird auch ein qualitativer Bedarf analysiert und dargestellt. Während für die Ableitung des quantitativen Wohnungsbedarfs die Zahl der Haushalte lediglich mengenmäßig mit der Zahl der Wohnungen abgeglichen wird, berücksichtigt der qualitative Neubaubedarf, dass auch Verschiebungen bei den Wohnpräferenzen, sprich welche Qualitätsmerkmale bei Wohnungen nachgefragt werden, dazu führen können, dass Wohnungen neu gebaut werden (müssen).
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Das Wohnungsmarktgutachten zeigt einen notwendigen Neubau (Summe aus quantitativem qualitativem Neubaubedarf) in Höhe von rund 46.000 Wohneinheiten pro Jahr im Durchschnitt bis 2040 auf. Das ist zunächst eine gute Nachricht, denn wenn es gelingt das aktuelle Niveau der Bautätigkeit von rund 46.000 Fertigstellungen pro Jahr zu halten, ist davon auszugehen, dass der notwendige Neubau insgesamt in den nächsten beiden Jahrzehnten gedeckt werden kann. Dabei zeigt sich jedoch, dass kurzfristig vor dem Hintergrund eines stärkeren Wachstums der Haushaltszahlen bis Mitte der 2020er Jahre und unter Berücksichtigung des Nachholbedarfs eine Ausweitung der Bautätigkeit notwendig ist. Um die Nachfrage nach neuen Wohnungen bis 2025 zu befriedigen, müssten landesweit etwa rund 51.000 Wohneinheiten pro Jahr gebaut werden.
Vor allem die Wachstumskerne des Landes – die Städte Köln, Düsseldorf, Münster und Bonn – müssten ihre Neubautätigkeit kurzfristig deutlich intensivieren, um den ausgewiesenen notwendigen Neubau decken zu können. So ist beispielsweise in Köln bis 2025 mit einem Neubaubedarf von rund 8.150 Wohneinheiten pro Jahr zu rechnen – im Durchschnitt der letzten drei Jahre wurden jedoch lediglich 2.570 Wohneinheiten fertiggestellt. Aber auch die Umlandkreise Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Kreis Neuss und Rhein-Sieg-Kreis müssen ihre Bauleistung im Vergleich zu den letzten Jahren steigern, um den angestauten Nachholbedarf abbauen zu können und der weiterhin steigenden Wohnungsnachfrage durch die Schaffung zusätzlicher Wohnungsangebote begegnen zu können. Angesichts der gemeinsamen Wachstumsherausforderung ist es sinnvoll, Stadt-Umland-Kooperationen zu stärken, mit dem Ziel, eine regionale Aufgabenteilung bei der Steuerung der Wohnungsmarktentwicklung zu koordinieren.
Die nachfolgende Abbildung zeigt in der ersten Karte einen Vergleich des aktuellen Bautätigkeitsniveaus und des ausgewiesenen notwendigen Neubaus insgesamt, also der Summe aus quantitativem und qualitativem Neubaubedarf. In der zweiten Karte bezieht sich der Vergleich dann alleinig auf den quantitativen Neubaubedarf. In blau dargestellt sind Kreise bzw. kreisfreie Städte, die zukünftig das Niveau ihrer Neubautätigkeit anheben müssen, in gold dargestellt sind Kreise bzw. kreisfreie Städte, für die zukünftig eine geringere Neubautätigkeit ausreicht, um den abgeleiteten Bedarf decken zu können.
Während in den Wachstumsregionen – im Vergleich zu dem ausgewiesenen notwendigen Neubau insgesamt – zu wenig gebaut wird, steht der Großteil der Kreise vor einer anderen Ausgangslage: Zukünftig ist eine geringere Neubautätigkeit als in den letzten Jahren ausreichend, um den zu erwartenden notwendigen Neubau decken zu können. In diesen Regionen ist in den kommenden Jahren der Fokus verstärkt auf die Bestandspflege und -entwicklung zu lenken, um Leerstand und Verödung im Bestand entgegenzuwirken. Insbesondere in den Schrumpfungsregionen, in der sich der notwendige Neubau alleinig in dem qualitativen Bedarf begründet, müssen Strategien und Lösungsansätze zur Aufhebung bzw. Reduzierung der qualitativen Diskrepanz zwischen den Ansprüchen potenzieller Zuziehender und den Wohnqualitäten der Bestandsobjekte gefunden werden. Hierbei kommen vor allem dialog-, beteiligungs- und prozessorientierte Instrumente wie integrierte Handlungs- bzw. Stadt(teil)entwicklungskonzepte eine wichtige Rolle zu.
Die einzelnen Regionen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen somit vor regional differenzierten Entwicklungen die kleinräumig angepassten Strategien erfordern. Um auf die Herausforderungen am Wohnungsmarkt zielgerichtet reagieren zu können, sollten daher in Kooperation mit den Agierenden vor Ort vertiefende Analysen, Strategien und Konzepte entwickelt werden.
Ein Hinweis zu den oben dargestellten Zahlen der Wohnungsneubaubedarfsprognose, die auf dem Szenario 0 (IT.NRW) beruhen: Die Prognoseergebnisse sind als „Wenn-Dann-Aussagen“ zu verstehen. Prognosen zeigen nicht unbedingt, wie es sein wird, aber sie können aufzeigen, mit welchen Entwicklungen unter den getroffenen Annahmen zu rechnen sein wird. Bei der Interpretation und Verwendung von Prognoseergebnissen ist daher stets der Kontext der Annahmen zu beachten.
Das Wohnungsmarkgutachten über den quantitativen und qualitativen Wohnungsneubaubedarf in Nordrhein-Westfalen bis 2040 mit allen Ergebnissen und der Dokumentation der Vorgehensweise steht hier zum Download bereit.
Kleines Glossar
Notwendiger Neubau: Der notwendige Neubau insgesamt entspricht den laut Prognose zu errichtenden Wohnungen und setzt sich aus dem quantitativen und qualitativen Neubaubedarf zusammen.
Quantitativer Neubaubedarf: Die Bestimmung des quantitativen Wohnungsbedarfs folgt der Logik, dass jeder Haushalt eine Wohnung benötigt. Der Zahl der Nachfrager (Haushalte) wird das Wohnungsangebot (ohne Neubautätigkeit) gegenübergestellt.
Qualitativer Neubaubedarf: Wohnungen werden auch dann neu gebaut, wenn sich die qualitativen Wohnbedarfe der Haushalte verändern und das vorherrschende Angebot im Bestand diese Wohnpräferenzen nicht bedienen kann. Bei einer Berücksichtigung dieses Wandels der Wohnbedarfe kann ein zusätzlicher qualitativer Neubaubedarf auch in Regionen mit rückläufigen Haushaltszahlen bestehen.
Nachholbedarf: Ein Nachholbedarf ist dann vorhanden, wenn der Wohnungsbestand unterhalb der Zahl der Nachfrager (Zahl der Haushalte) plus Fluktuationsreserve, die notwendig ist, um Umzugsketten und temporäre Leerstände aufgrund von Modernisierung zu ermöglichen, liegt. Es gibt also weniger Wohnungen als im Sinne des definierten Sollwohnungbestandes tatsächlich benötigt werden. Für die Ableitung des Nachholbedarfs wurde eine Fluktuationsreserve von 3 % definiert.
Autoren:
Sandra Jurasszovich
Tel. +49 30 2787 49 12