Die aktuelle Situation zeigt mehr denn je, wie wichtig ein flächendeckendes und wohnortnahes Gesundheitssystem für eine Gesellschaft ist. Neben den kurzfristigen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie üben jedoch auch langfristige gesellschaftliche Veränderungsprozesse Druck auf das Gesundheitssystem aus. So wird die zukünftige medizinische und vor allem hausärztliche Versorgung u.a. durch den demografischen Wandel vor große Herausforderungen gestellt. Zum einen steigt der Bedarf nach vertragsärztlichen Leistungen an, da sich die geburtenstarken Jahrgänge in die zweite Lebenshälfte verschieben und gleichzeitig die Lebenserwartung ansteigt. Zum anderen geht demografisch bedingt die Zahl der Ärzte zurück. Laut der kassenärztlichen Bundesvereinigung fehlen in Deutschland bereits jetzt insgesamt 10.000 Ärzte in Praxen und Krankenhäusern, eine Entwicklung, die sich zukünftig weiter verschärfen wird.
Diese demografischen Veränderungen laufen nicht gleichförmig ab, da die Altersstruktur einer Region zusätzlich durch Wanderungsbewegungen beeinflusst wird. Gerade ländliche Regionen sind durch eine hohe Abwanderungsrate geprägt, sodass diese von einer Überalterung und einem Ärztemangel besonders betroffen sind.
Die räumliche Ausprägung dieser Entwicklung ist in der Karte für alle deutschen Landkreise dargestellt. Der GEWOS-Index zur ärztlichen Versorgung, der sich aus der Hausarztdichte, dem Alter der Ärzte, der Veränderung des Versorgungsbedarfes bis 2030 sowie der Erreichbarkeit des nächsten Hausarztes berechnet, gibt.
Hausärztliche Versorgungssituation in Deutschland bis 2030 – Risiko von zukünftigen Versorgungsengpässen
Aus der Karte geht hervor, dass in großen Städten tendenziell ein niedrigeres Risiko für hausärztliche Versorgungsengpässe besteht, als in ländlichen Regionen. In letzteren sind die Wege zum Arzt meist weit und das Bevölkerungsalter insgesamt höher, was zu einem gesteigerten Versorgungsbedarf führt. Außerdem zieht der Ärztenachwuchs Städte als Wohn- und Arbeitsort oft dem ländlichen Raum vor. Pauschalisieren lässt sich die Situation für ländliche Räume jedoch nicht, auch hier gibt es regionale Unterschiede. So liegt das Risiko eines Hausärztemangels auch im Nordosten und in der geografischen Mitte Deutschlands deutlich unter dem Durchschnitt. Dies lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass die geringe Bevölkerungsdichte in ländlichen Kreisen zur einer höheren Arztdichte (mehr Ärzte pro Einwohner) führen kann, wohingegen Ärzte in den dicht besiedelten Großstädten eher überlastet sind. Darüber hinaus wirken sich zahlreiche weitere Faktoren auf das Risiko ärztlicher Unterversorgung aus. Festhalten lässt sich jedoch, dass Ärztemangel, wenn auch regional unterschiedlich stark ausgeprägt, zukünftig in weiten Teilen Deutschlands zum Problem werden wird. Diesen Versorgungsengpässen gilt es vorzubeugen, um gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleisten zu können.
Die Sicherstellung der Daseinsvorsorge, und somit auch die der medizinischen Versorgung, ist einer der Grundaufgaben der Länder, insbesondere ihrer Kommunen. Diese müssen neue Wege finden, eine angemessene medizinische Infrastruktur aufrechtzuerhalten, entweder als Träger oder durch die Entwicklung alternativer (übergreifender) Versorgungskonzepte. Ein mögliches Alternativmodell, das zurzeit vielerorts aufgegriffen und diskutiert wird, ist das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ). Dieses kann beispielsweise von Ärzten selbst, von Krankenhäusern, Praxisnetzen oder gemeinnützigen Trägern gegründet werden. Aber auch Kommunen können die Gründung eines MVZ übernehmen, um die medizinische Versorgung in der Region sicherzustellen. Zwar ist die Zahl der MVZ seit dem Erlass des Gesundheitsmodernisierungsgesetztes im Jahr 2004 auf insgesamt rund 3.170 im Jahr 2018 gestiegen, die erhofften Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung in der Fläche blieben jedoch aus. Der Grund: Die meisten der neu gegründeten MVZ beziehen sich auf fachärztliche oder sogar hochspezialisierte Leistung und sind oftmals nicht versorgungsrelevant. Insbesondere von MVZ unter kommunaler Trägerschaft hatte sich der Gesetzgeber positive Impulse für strukturschwache, ländliche Regionen erhofft. Doch obwohl seit 2015 erleichterte Bedingungen für die Realisierung entsprechender Versorgungszentren gelten, übernehmen Kommunen bislang nur vereinzelt die Rolle des Trägers. An dieser Stelle besteht also Handlungspotenzial, das die Kommunen ausschöpfen und so zu Sicherung einer adäquaten Gesundheitsversorgung in ihrer Region beitragen sollten, denn MVZ bringen eine Reihe Vorteile mit sich: Sie ermöglichen eine Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, besseren Informationsaustausch und die Erschließung von Effizienzreserven. Auch die Ärzte profitieren von dem Modell, denn gerade bei jungen Medizinern steigt der Wunsch nach einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis, das unter anderem mit flexibleren Arbeitszeiten punkten kann.
Das MVZ kann demnach eine zukunftsfähige Alternative darstellen, um die medizinische Versorgung, auch in strukturschwachen Regionen, zu gewährleisten.
Autorin:
Maite Schiffler
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