Viel wird in diesen Wochen über Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger und ihre anspruchsvollen und gesellschaftlich wertvollen Aufgaben geschrieben. Endlich bekommen sie den Applaus, den sie schon lange verdienen. Und das ist gut so! Wir dürfen dabei aber nicht auch die Menschen vergessen, die sich zu Hause, in ihrer Familie um andere Menschen kümmern und pflegen.
Vor diesem Hintergrund haben wir Daten zu Pflegearrangements in Nordrhein-Westfalen ausgewertet – mit Fokus auf pflegebedürftige Personen unter 65 Jahren. Diese Gruppe steht oftmals nicht im Blickpunkt bei Diskussionen um Pflege, aber etwa 20 % aller pflegebedürftigen Personen in Nordrhein-Westfalen sind Menschen unter 65 Jahren.* Die Daten verdeutlichen den Stellenwert von pflegenden Angehörigen in der Versorgung. Die Darstellung bezieht sich in den Zahlen auf Nordrhein-Westfalen, die Charakteristik und Schlussfolgerungen können aber auch auf andere Bundesländer und Regionen übertragen werden.
In Nordrhein-Westfalen wurden Ende 2017* etwa die Hälfte aller pflegebedürftigen Personen ausschließlich von Angehörigen in häuslicher Umgebung betreut. Stellt man dabei pflegebedürftige Personen unter 65 Jahren in den Fokus, waren es sogar 78 Prozent, die im häuslichen Kontext von Angehörigen gepflegt wurden.
Welches Pflegearrangement bei Pflegebedürftigkeit gewählt wird, verändert sich auch im Lebensverlauf: Nahezu alle pflegebedürftigen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen werden in häuslicher Umgebung gepflegt, die Mehrheit ausschließlich durch Angehörige (Pflegegeldbezieher). Die Unterstützung durch ambulante Pflegedienste gewinnt für Pflegebedürftige ab dem 25. Lebensjahr verstärkt an Bedeutung: In der Altersgruppe 25 bis unter 30 Jahren wurden rund 10 Prozent der Pflegebedürftigen zusammen mit bzw. durch ambulante Pflegedienste gepflegt, der Anteil steigt kontinuierlich mit dem Alter an, bei den 60- bis unter 65-Jährigen wurden rund 20 Prozent zusammen mit bzw. durch ambulante Pflegedienste versorgt. Vollstationäre Pflegeeinrichtungen spielen bei der Versorgung der pflegebedürftigen Personen unter 65 Jahren hingegen lediglich eine untergeordnete Rolle.
Daten: IT.NRW, Pflegestatistik 2017
Darstellung: GEWOS
Durch Rundungsdifferenzen können geringfügige Abweichungen zu 100% auftreten
Für die pflegenden Angehörigen kommen in der aktuellen Ausnahmesituation aufgrund des neuen Corona-Virus neben den täglichen Herausforderungen der Pflege und der Betreuung weitere Unsicherheiten hinzu: Wie schützt man sich? Welche besonderen Hygienemaßnahmen können bei der Pflege zu Hause beachtet werden? Und was, wenn man selbst infiziert ist?
Landkreise und Kommunen tragen im Rahmen der Daseinsvorsorge die Mitverantwortung für eine den (lokalen) Bedürfnissen angepasste, wohnortnahe und aufeinander abgestimmte pflegerische Versorgung der Bevölkerung. Der Ausbau und die Professionalisierung von Hilfsangeboten für Angehörige – das geht von administrativen und organisatorischen über finanzielle hin zu mentalen Unterstützungs- und Entlastungsangeboten – ist im Rahmen dieser Verantwortung nicht im Bereich „Nice-to-have“ zu verorten und als ein Bonus anzusehen, sondern stellt ein „Must-have“ für Kommunen und Regionen dar. Auch ist das Wissen über spezifische Rahmenbedingungen der „jungen Pflege“ bei den relevanten Akteuren aber auch bei der Öffentlichkeit zu stärken. Pflegebedürftigkeit wird in der Regel vor allem im Zusammenhang der Altenpflege diskutiert, über die Versorgungssituation und Bedürfnisse jüngerer Pflegebedürftige gibt es hingegen erst sehr wenige Untersuchungen. Um diese Lücke zu füllen sind regionale Studien und Konzepte zur Thematik „junge Pflege“ notwendig, um Antworten geben zu können, in welcher Form, in welchem Umfang und durch welche Akteure Angebote derzeit vor Ort bestehen und inwiefern Anpassungen vorgenommen werden müssen, um den Bedarfen von jungen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, gerecht zu werden.
* Auf Basis der amtlichen Pflegestatistik der Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder können Aussagen dazu getroffen werden, wie viele Menschen pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind und Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Die aktuellsten Daten liegen zum Stand 31.12.2017 vor. Die Erhebung der Daten erfolgt alle zwei Jahre, allerdings besteht eine zeitliche Verzögerung zwischen der Erhebung der Daten und ihrer Übermittlung.
Autoren:
Sandra Jurasszovich
Tel. +49 30 2787 49 12