Mit dem Hashtag #WirBleibenZuhause fordert das Bundesgesundheitsministerium die Deutschen dazu auf, bei der Eindämmung des Corona-Virus mitzuhelfen. Die Aufmerksamkeit, die in diesen Tagen dem Zuhause – das für viele gerade Büro, Kindergarten, Fitnessstudio und Café gleichzeitig ist – zukommt, lenkt den Blick auch auf Fragen rund um das Wohnen. Was bedeutet zuhause bleiben für die Menschen in unterschiedlichen Lebensverhältnissen?
Ein Indikator bezüglich der Wohn- und Lebensqualität ist die Wohnfläche, die den Haushalten in Deutschland im Durchschnitt zu Verfügung steht. Insgesamt lag die durchschnittliche Wohnfläche je Haushalt im Jahr 2018 in Deutschland bei rund 93 Quadratmeter. Hinter diesem durchschnittlichen Wert verbirgt sich allerdings eine große Spannweite. Generell gilt dabei, dass die Wohnfläche in Ein- und Zweifamilienhäusern größer ausfällt als in Wohnungen in Mehrfamilienhäuser. So lebt ein Paarhaushalt, der in einem Ein- oder Zweifamilienhaus wohnt, im Durchschnitt auf rund 119 Quadratmeter, während einem Haushalte mit 2 Personen in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus etwa 78 Quadratmeter zur Verfügung steht. Zusammengerückt wohnen – und in diesen Tagen eben auch leben – vor allem Städter: In Großstädten über 500.000 Einwohner leben etwa 85 von 100 Haushalten in Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Geräumiger geht es dagegen in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern zu: Hier sind es lediglich 28 von 100 Haushalten.
Folge: Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus bedeuten vor diesem Hintergrund Beeinträchtigungen insbesondere auf das städtische Versprechen: Buntes, städtische Leben vor der Haustür. In normalen Zeiten nimmt man dafür geringere Wohnfläche (und hohe Wohnkosten) in Kauf und verlässt sich auf die Attraktivität des öffentlichen Raumes. Es sind aber keine normalen Zeiten. Das „erweiterte Wohnzimmer“ des städtischen Lebens steht in diesen Tagen der geschlossenen Geschäfte, Spielplätze, Cafés und Kneipen aber nicht zur Verfügung. Als offene Frage bleibt, wie sich die derzeit gemachten Erfahrungen perspektivisch auf den Wohnflächenverbrauch auswirken – und auf das Verständnis von Lebensqualität.
Unterschiede bei der durchschnittlichen Wohnfläche ergeben sich nicht nur durch den Gebäudetyp, in dem ein Haushalt wohnt, sondern – neben der Zahl der Personen, die in einem Haushalt wohnen – auch durch die Einkommenssituation. Während einem Haushalt mit 4 oder mehr Personen und einem Haushaltsnettoeinkommen von über 6.000 Euro im Durchschnitt 130 Quadratmeter (in Wohnungen in Mehrfamilienhäuser) zur Verfügung steht, wohnt dieser Haushaltstyp mit einem Einkommen unter 1.500 Euro im Durchschnitt auf etwa 80 Quadratmeter. Zur besseren Einordnung können diesen Werten der Mindestwert nach den Kölner Empfehlungen sowie der Optimalwert nach Meyer-Ehlers gegenübergestellt werden: Für einen Haushalt mit 4 Personen werden als Mindestwert 82 Quadratmeter und als Optimalwert 102 Quadratmeter formuliert.1 Durch die derzeitige Ausnahmesituation stellen sich neben der Bezahlbarkeit des Wohnens weitere Fragen zu den Dimensionen einer angemessenen Wohnversorgung aller Bevölkerungsgruppen, die es zu diskutieren gilt und für die Antworten zu finden sind. Lehrt uns die Krise, dass wir Wohnraum wieder größer denken müssen?
Die dargestellten Werte beziehen sich auf Ergebnisse der Mikrozensus 2018 – Zusatzerhebung zur Wohnsituation privater Haushalte (Quelle: Destatis). Ein- und Zweifamilienhäuser umfassen Gebäude mit 1 oder 2 Wohneinheiten, Mehrfamilienhäuser umfassen Gebäude mit 3 oder mehr Wohnungen.
1 Frick, J. (1995): Zur Messung der Wohnflächenversorgung privater Haushalte mit Hilfe von Äquivalenzskalen (Diskussionspapiere No. 1). Bochum.
Autoren:
Sandra Jurasszovich
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